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Bietigheimer Zeitung vom 16.05.2017

Die Grundschule Kleinsachsenheim und die Großsachsenheimer Kraichertschule sind die einzigen ohne städtisches Angebot einer Schulsozialarbeit. Von Mathias Schmid

 

Zweimal hat Doris Engelbrecht, Leiterin der Grundschule Kleinsachsenheim es versucht, einmal gemeinsam mit Susanne Pohl von der Kraichertschule. Doch beide Anträge auf Schulsozialarbeit wies die Stadt zurück. Immerhin: In diesem Schuljahr wird gemeinsam mit der Jugendhilfe Hochdorf das Projekt „Power macht schlauer“ an den beiden Schulen durchgeführt. Doch dieses ist auf ein Jahr begrenzt. Deshalb wollen die beiden Pädagogen einen weiteren Anlauf wagen. Das aktuelle Projekt basiert auf einmaligen Spenden – unter anderem aus der BZ-Aktion Menschen in Not. „‚Power macht schlauer’ wurde extra für diese beiden Schulen erfunden“, erklärt Claudia Obele, Vorstandsvorsitzende des Vereins Hochdorf – Evangelische Jugendhilfe im Kreis Ludwigsburg, „es geht darum, den Kindern rechtzeitig Unterstützung zu geben.“ Einmal pro Woche kommen jeweils zwei Sozialpädagoginnen in die Schulen. Gefördert wird das Sozialverhalten der Schüler.

Stadt: Kein zwingender Bedarf

Claudia Obele versteht den Wunsch der Schulleiterinnen, eine dauerhafte und umfassendere Institution zu schaffen. „Das derzeitige Projekt arbeitet nur mit den Kindern. Auch die Lehrkräfte und Eltern brauchen einen Ansprechpartner. Schulsozialarbeit muss präsenter vor Ort sein“, meint sie. An der kleinen Kraichertschule für lernbehinderte Kinder und Jugendliche geht es auch um die zukünftige Attraktivität. „Wir können nicht noch drei Jahre zuwarten. dann verlieren wir Schüler, das ist unsere akute Sorge“, sagt Susanne Pohl mit Blick auf die Anmeldezahlen. Den ersten Antrag aus Kleinsachsenheim hatten Stadt und Gemeinderat im Dezember 2015 abgelehnt (die BZ berichtete). Es sei kein Geld da, um bei der noch wenig verbreiteten Schulsozialarbeit in Grundschulen eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Im Raum stehen rund 30 000 Euro im Jahr. Der zweite Antrag über eine gemeinsame 50-Prozent-Stelle für die beiden Schulen wurde weniger ausführlich diskutiert, wie Doris Engelbrecht berichtet.

Die Verwaltung ist weiterhin der Ansicht, dass sie nicht in die Finanzierung der Sozialarbeit an den beiden Schulen einsteigen sollte. Man sehe keinen zwingenden Bedarf, heißt es auf Anfrage der BZ. Dennoch wollen die beiden Schulleiterinnen nun einen weiteren Vorstoß wagen, in der Hoffnung, dass es auch im kommenden Schuljahr ein Betreuungsprogramm gibt. „Wir werden einen dritten Antrag stellen. Auch wir haben Kinder, die eine besondere Betreuung brauchen“, betont Doris Engelbrecht, „es geht nicht darum, zu jammern oder zu schimpfen, sondern um das Wohl von Kindern und Eltern.“
Für die Schulleiterinnen sind die Erfolge sichtbar. „Die Eltern berichten, dass sich die Kinder besser konzentrieren können“, sagt Engelbrecht über die Dritt- und Viertklässler, die Probleme hatten und haben, ihre Emotionen im Griff zu halten. Bisher wurde das Projekt mit Jungs durchgeführt, jetzt sind auch Mädchen dran. Bei den acht Sechst- bis Neuntklässlerinnen der Kraichertschule geht es vor allem auch um die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Hier ist „Power macht schlauer“ die Fortsetzung einer Mädchen-AG, die im vergangenen Schuljahr eine Referendarin ins Leben gerufen hatte. Ausschlag war eine Faschingsparty gesehen, auf der die Mädchen „sehr sexuell geprägt“ getanzt hätten, berichtet Pohl. Sie berichtet: „Die Schülerinnen lieben es, eine Ansprechpartnerin zu haben. Im Moment ist keine in Schwierigkeiten. Das ist ein Erfolg dieser Arbeit. Hier sollten dann nächstes Jahr die Jungs dran sein – allerdings ist noch offen, ob es dazu kommen wird.“

2017 05 16 BZ Pilotprojekt mach Lust auf mehr

(Foto: Martin Kalb - Die beiden Sozialpädagoginnen Karin Schlittenhardt (links) und Ute Bezler-Flattich im Gespräch mit der Mädchengruppe an der Kraichertschule in Großsachsenheim).

 

 

Kommentar Mathias Schmid zur Schulsozialarbeit an Schulen 2017 05 16 BZ Pilotprojekt Bild Schmid

Keine Frage des Geldes

Die Forderung nach Schulsozialarbeit an der Kraichertschule und der Grundschule Kleinsachsenheim wirft mal wieder die Frage auf: Sollte es der Stadt das Geld wert sein oder nicht? Vor allem an der Kraichertschule, die verhaltensauffällige Schüler betreut, scheint diese Frage relativ einfach zu beantworten. Doch die Stadt sieht die Ressourcen ausgeschöpft, beispielsweise für die Modernisierung der Gemeinschaftsschule für mehr als zehn Millionen Euro.
Genauso kann wieder die Frage in den Raum geworfen werden, ob es die Aufgabe der Schule ist, sich um das Sozialverhalten der Kinder zu kümmern. Ja, wenn es nötig ist. Dass es das ist, zeigt ja das Förderprogramm des Landes. Doch dann sollten die Kommunen mit der Entscheidung nicht alleine gelassen werden und – je nach Lage der aktuellen Finanzen – entscheiden, welche Schule denn nun Sozialpädagogen bekommt und welche nicht. Gefragt ist hier der Gesetzgeber, in diesem Fall also das Land. Es braucht eine Lösung, die alle Schüler, egal in welcher Kommune sie leben, gleichermaßen behandelt. So abgedroschen es klingen mag: Die Förderung der Kinder darf auch hier keine Frage des Geldes sein. Ein Förderprogramm, wie es 2012 aufgelegt wurde, kann dazu nur der erste Schritt sein. (Foto: Heidi Vogelhuber)

 

Sozialarbeit an Sachsenheims Schulen

Die anderen Schulen der Stadt Sachsenheim haben bereits eine feste Schulsozialarbeit: An der Eichwald-Realschule in Großsachsenheim und der Kirbachschule in Hohenhaslach ist es jeweils eine 50-Prozent-, an der Gemeinschaftsschule Großsachsenheim eine 90-Prozent-Stelle. Hier wird bei Bedarf auch die Grundschule mitbetreut. msc

Schulsozialarbeit wird vom Land gefördert

Das Land beteiligt sich seit 2012 zu einem Drittel an den Kosten der Schulsozialarbeit. Das Förderprogramm werde außerordentlich gut angenommen, berichtet Nikolai Worms, Sprecher beim Ministerium für Soziales und Integration. Die Schulsozialarbeit sei „zu einem flächendeckenden Angebot in Baden-Württemberg geworden und hat sich zu einem Standard an den Schulen in unserem Land entwickelt. Sie ist Qualitätsmerkmal einer guten Schulkultur, denn sie trägt wesentlich zu mehr Schulerfolg und mehr Bildungsgerechtigkeit bei.“ Summiert 1463 Vollzeitstellen zählt das Land im aktuellen Schuljahr, vorbehaltlich abschließender Prüfung. Im aktuellen Staatshaushaltsplan sind für die Förderung der Schulsozialarbeit an baden-württembergischen Schulen 25 Millionen Euro eingeplant. In den kommenden beiden Schuljahren fördert das Land zudem die Jugendsozialarbeit in Flüchtlingsklassen mit 2,5 Millionen Euro pro Schuljahr. msc

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