Zukunft geben – kunstVoll leben!
Evangelische Jugendhilfe Hochdorf ließ Jubiläumsjahr zum 60-jährigen Bestehen mit einem großen Fest ausklingen
Frühere Heimkinder, jetzige Bewohner der Jugendhilfe Hochdorf, Eltern, Wegbegleiter aus Politik, Diakonie und Gesellschaft füllten zahlreich die Gemeindehalle Hochdorf, um mit der Evangelischen Jugendhilfe Hochdorf das Jubiläumsjahr ausklingen zu lassen.
Seit über 60 Jahren versteht sich die Einrichtung als Lebenshilfe, die jungen Menschen zu einer guten Perspektive für ihre Zukunft verhilft. In dieser Zeit habe sich viel verändert, das diakonische Grundanliegen einer bestmöglichen Betreuung und Förderung junger Menschen sei aber geblieben, sagte Vorstandsvorsitzende Claudia Obele.
Das bestätigte der Sozialdezernent des Landkreises Ludwigsburg Heiner Pfrommer: „Die Jugendhilfe Hochdorf ist im Landkreis Ludwigsburg bekannt für hohe Qualität, Professionalität und Flexibilität. Sie zeigt sich immer offen für neue Herausforderungen und wird diese auch in Zukunft bestimmt wieder meistern.“
Auch Dirk Schönberger, Oberbürgermeister der Stadt Remseck, sparte nicht mit Lob: „Es erfüllt mich mit Stolz, eine so tolle Einrichtung seit 60 Jahren in der Stadt zu haben. Die Jugendhilfe Hochdorf ist aus unserer Stadt nicht mehr wegzudenken.“ Er bezeichnete sie als 60 Jahre jung, denn sie habe sich immer weiterentwickelt, den neuen Herausforderungen immer wieder gestellt und die Methoden angepasst.
Eva-Maria Armbruster, Vorstandsmitglied im Diakonischen Werk Württemberg, freute sich über eine so engagierte Einrichtung und wies darauf hin, dass Hochdorf bundesweit mit der Vorreiterrolle zur Vermeidung von Fehlverhalten von Fachkräften in der Jugendhilfe bekannt geworden ist. Mit diesem Ansatz komme zum Ausdruck, worum es der Jugendhilfe Hochdorf vor allem gehe: „Kinder und Jugendliche sollen Schutz und Förderung erhalten, sie sollen gewürdigt und beteiligt werden, und das setzt auch eine demokratische und partizipative Kultur in der Einrichtung, anders ausgedrückt: des Unternehmens Hochdorf voraus.“
Aus dem Heim mit Mehrbettzimmern in den Fünfzigerjahren ist ein differenziertes Angebot mit Wohn- und Tagesgruppen für inzwischen rund 220 junge Menschen und deren Familien geworden. Über die Jahre haben sich auch die Formen gewandelt, mit denen die diakonische Einrichtung Kindern, Jugendlichen und Familien bei Problemen und Krisen hilft. „Gerade junge Menschen aus Familien mit Problemen brauchen unsere Unterstützung und Ermutigung, um mit ihrer eigenen Kreativität und Gestaltungskraft ihre je eigenen Lösungs- und Lebenswege zu finden“ betont Claudia Obele.
Das Jubiläumsjahr stand unter dem Motto „Zukunft geben – kunstVoll Leben“. Kunst wollten die Verantwortlichen dabei sowohl im übertragenen Sinn der Lebenskunst als auch im wörtlichen Sinn verstehen. Kinder, Jugendliche, Mitarbeiter, Eltern und Kooperationspartner führten zahleiche Kunstaktionen durch, von denen einige beim Fest bestaunt werden konnten. Unter dem Motto „Gemeinsam schaffen wir alles! – Wir stricken oder häkeln für die Zukunft!“ war es Ziel, einen 60 Meter langen Schal zu stricken und zu häkeln. Es haben sich so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Freunde, Verwandte, Nachbarn, Jugendliche dafür begeistert, dass der Schal sogar 104 Meter lang wurde. Auch erstrahlen die Hochdorfer Garagen jetzt farbig und bunt. Dazu die neue Innenhofgestaltung der Wohngruppe „Spatzen“ in Bietigheim-Bissingen, die Holzskulptur „Zusammen halten“ der Soziale Gruppenarbeit Sachsenheim, ein Theaterstück, das Picasso-Café, ein selbst gedrehter Film und noch viel mehr. Der Jubiläumschor aus Mitarbeitenden, Jugendlichen, Vereinsmitgliedern und Ehemaligen erfreute die Festgäste ganz besonders.
Das 60-jährige Bestehen des Vereins war auch Anlass, die im Archiv lagernden Kinderakten der 50er bis 70er Jahre des Kinderheims sichten zu lassen. Bastian Loibl nahm sich dieser Aufgabe als Projekt für seine Masterarbeit der Universität Heidelberg an. Er berichtete von damaligen gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber „Heimkindern“ und restriktiven Erziehungsmethoden der Nachkriegsgesellschaft. Ab Ende der siebziger Jahre modernisierten neue Heimleiter die Erziehungskonzepte und erweiterten das Betreuungsangebot. Mitarbeiter mit Fachausbildung wurden Standard, was „eine moderne und kindgerechte Fürsorge gewährleistete“.
Aus eigenem Erleben konnte Uwe Breitling das unterstreichen, der von 1963 an für zwölf Jahre in der Einrichtung lebte. Zunächst zu zehnt im Schlafsaal, „da war nicht viel Privatsphäre oder individuelle Förderung“. Auch habe es manchmal Gewalt gegeben. Andererseits habe er von Spielkameraden, schönen Ausflügen und bis heute dauernden Beziehungen zu anderen Kindern und Erziehern profitiert. Der 17-jährige Lars Meinhardt, der nach dem Tod seiner Mutter seit drei Jahren in Hochdorf lebt, fühlt sich wohl und gut unterstützt. „Als es in der Schule nicht so gut lief, hat der Erzieher das mit mir geregelt.“ Sein Berufsziel: Jugend- und Heimerzieher.
60 Jahre Evang. Jugendhilfe Hochdorf – ein Grund zum Feiern.
v.l. Bastian Loibl, Student der Universität Heidelberg, Lars Meinhardt, Andreas Walker, Kaufmännischer Vorstand und Claudia Obele, Vorstandsvorsitzende der Evang. Jugendhilfe Hochdorf, Michael Rütsche, Fachleitung Evang. Jugendhilfe Hochdorf, Eva-Maria Armbruster, Vorstand Diakonisches Werk Württemberg, Andrea Nisi-Binder, Aufsichtsratsvorsitzende des Trägervereins, Dirk Schönberger, Oberbürgermeister Stadt Remseck, Heiner Pfrommer, Sozialdezernent Landkreis Ludwigsburg