Ludwigsburger Kreiszeitung vom 24. Dezember 2012
Plätzchen backen, Geschenke kaufen, Baum aussuchen – die Vorbereitungen für das Fest der Liebe sind auf der Zielgeraden. Auch in Hochdorf versuchen sich Heimkinder und ihre Betreuer, auf Weihnachten einzustimmen. Ohne Mama und Papa, dafür mit einem Vier-Gänge-Menü und einem Preis für den tollsten Wunschzettel.
In der Wohngruppe Waldvögel gibt es nur einen Adventskalender – und der steht mitten im Flur. Bei derzeit acht Kindern macht das drei Türchen für jeden. „Geht genau auf“, sagt Viola. Das 13 Jahre alte Mädchen freut sich auch über die wenigen Türchen, die sie öffnen kann. Zu Hause bei ihren Eltern hätte sie wahrscheinlich gar keinen Adventskalender.
Seit sieben Jahren lebt Viola in Remseck-Hochdorf. An eine dauerhafte Rückkehr zu ihren Eltern ist nicht zu denken, das lassen die Familienverhältnisse nicht zu. Mit dem Kalender versucht die evangelische Jugendhilfe, den Heimkindern die Weihnachtszeit so normal und selbstverständlich wie möglich zu gestalten. An jedem Adventssonntag zünden sie gemeinsam die neue Kerze an, schmücken den Baum oder backen Plätzchen. Es liegt an den Kindern.
Denn zu viel Weihnachten ist manchmal auch nicht gut für sie. „Wir wollen kein Weihnachten inszenieren, das es so gar nicht gibt“, sagt die Erzieherin Christine Lumpp. Denn die Adventszeit ist keine einfache Zeit für die Kinder. Oft sind sie emotional überladen. „Eigentlich ist Weihnachten ja das Fest der Familie. Die ist aber häufig nicht da.“ Besonders an den Tagen vor Weihnachten und an Heiligabend ist die Sehnsucht nach familiärer Geborgenheit groß. „Denn egal, was passiert ist. Die Liebe der Kinder zu den Eltern bleibt“, sagt die Fachleiterin Waltraud Schillinger. Für Viola ist es das siebte Weihnachten bei den Waldvögeln. Heiligabend verbringt sie aber bei ihren Eltern. Was bei Viola möglich ist, ist nicht die Regel. „Man muss die Situation abwägen“, sagt Christine Lumpp. „Wenn die Gefahr besteht, dass die Eltern betrunken in der Ecke liegen, dann bleibt das Kind hier.“
Die Weihnachtszeit ist eine wacklige Zeit. Selbst wenn die Kinder über die Feiertage bei ihren Familien sind, bedeutet das nicht, dass dort ein festlich geschmückter Baum, Geschenke und viel Liebe warten. „Die Enttäuschung ist oft groß. Da kullern viele Tränen“, so Lumpp.
Wenn die Kinder in der Wohngruppe bleiben oder wieder abgeholt werden müssen, feiern die Betreuer mit ihren Schützlingen. „Was wir dann machen, kommt auf die Kinder an.“ Das könnte ein Spaziergang durch den Schnee sein (der heute allerdings ausfällt), ein Besuch in der Kirche oder ein Abend, an dem Geschichten erzählt werden.
Viele Geschenke unter dem Weihnachtsbaum: Für die Heimkinder aus Hochdorf ist das keine Selbstverständlichkeit.
Dieses Jahr ist das Kinderheim an Heiligabend zum ersten Mal zu. Alle sind bei ihren Familien – ein seltener Fall. Die Mitarbeiter haben aber rund um die Uhr Bereitschaft. Falls doch mal was schiefgeht. Damit die Kinder miteinander feiern und erfahren können, wie Weihnachten sein kann, gab es gestern eine Weihnachtsfeier im Heim. Viola erzählt: „Die Weihnachtsfeier ist cool. Wir müssen uns sogar schick machen. Vergangenes Jahr gab es ein superleckeres Vier-Gänge-Menü. Und dann durften wir die Geschenke unter dem Baum auspacken.“
30 Euro pro Kind gibt es von der Stadt Remseck für die Geschenke. Auf Violas Wunschzettel stehen 21 Bücher. Alle wird sie wohl nicht bekommen. Neben den Geschenken gibt es noch einen Preis für den kreativsten Wunschzettel. Violas Wünsche stecken im Rucksack eines kleinen selbst gebastelten Skifahrers. Obwohl sie weiß, dass Weihnachten zu Hause „viel schlichter ist, und wir auch keinen Weihnachtsbaum haben“, fährt Viola trotzdem gerne zurück. „Weihnachten bedeutet Familie für mich. Wenn ich nicht daheim bin, fehlt mir etwas.“ (Von MAREIKE BURKHARDT).