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Marbacher Zeitung vom 17. Oktober 2013

Großbottwar: Die Jugendhilfe Hochdorf hat eine Gruppe für Kinder mit Problemen im Sozialverhalten ins Leben gerufen

Familienverhältnisse, die aus den Fugen geraten sind. Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder heillos überfordert sind. Und Mädchen und Jungs, die Auffälligkeiten in ihrem Sozialverhalten an den Tag legen: All das sind Phänomene, die viele nur mit einem Leben in der Stadt verbinden. Doch von dieser Vorstellung muss man sich verabschieden.


„Auch im ländlichen Raum ist die Lebenssituation in den Familien schwieriger geworden“, sagt Claudia Obele, Vorstandsvorsitzende der Jugendhilfe Hochdorf. Diese Entwicklung hat auch vor dem Bottwartal nicht halt gemacht. Irgendwann sah das Jugendamt deshalb die Notwendigkeit, in diesem Raum Kindern mit Problemen im Sozialverhalten die Hand zu reichen. Eine Aufgabe, die die Jugendhilfe Hochdorf nun wahrnimmt. In der Schule an der Linde in Großbottwar kümmern sich seit vergangener Woche die Sozialpädagoginnen Ulrike Weidner und Melanie Integlia in einer Kleingruppe um Kinder, die sich im Umgang mit anderen schwertun.

Betreut werden die Kids an drei Nachmittagen pro Woche von 12 bis 17 Uhr. Das vom Jugendamt finanzierte Angebot richtet sich an Acht- bis Zwölfjährige aus dem Bottwartal. Zum Start sind vier Mädchen und Jungs mit dabei. Sie kommen aus Großbottwar, Oberstenfeld und Steinheim. Drei sind Grundschüler, ein Kind besucht die Förderschule. Nach und nach werden alle sechs Plätze belegt sein, sagt Claudia Obele. „Da laufen gerade Gespräche.“

Weil auf einen Betreuer maximal drei Kinder kommen, kann gezielt und ausführlich mit jedem Einzelnen gearbeitet werden, erklärt Ulrike Weidner. Im Mittelpunkt stehe dabei immer, das Miteinander zu fördern. Sei es beim Fußball, sei es beim gemeinsamen Kochen, sei es bei einer kleinen Diskussionsrunde. Die Kinder sollen in der Gruppe lernen, andere ausreden zu lassen, oder erfahren, dass ein Streit besser mit Worten als mit Fäusten ausgefochten wird, erläutern Ulrike Weidner und Claudia Obele. Bewusst sind solche Übungen in Aktionen verpackt, die Spaß machen. Zum Beispiel in eine Partie Tischkicker.

Wenn die Kids um die Mittagszeit eintrudeln, haben sie aber erst einmal Zeit, anzukommen, zu spielen oder sich mit den Sozialpädagoginnen auszutauschen. Anschließend geht es in die Mensa, ehe Hausaufgaben und andere schulische Dinge sowie eben das Sozialtraining auf dem Programm stehen. Treffpunkt ist eine ehemalige Lehrerwohnung in der Schule an der Linde. Hier hat die Jugendhilfe zwei gemütliche Aufenthaltsräume und ein Büro eingerichtet. Außerdem steht eine Küche zur Verfügung. „Im Durchschnitt bleiben die Kinder ein bis zwei Jahre in der Gruppe“, erklärt Claudia Obele.

Die Chefin der Jugendhilfe weist darauf hin, dass es keine Schande ist, wenn man seinen Sohn oder seine Tochter anmeldet. Zumal es zum Wohle der Kinder sei, die man in diesem Alter noch gut erreichen könne. Eine Stigmatisierung sei ebenfalls nicht zu befürchten. „Es spricht sich im Gegenteil bei Mitschülern sogar herum, dass hier attraktive Sachen gemacht werden“, sagt sie. Gleichwohl gebe es Hemmschwellen bei Müttern und Vätern. Doch nach einem Gespräch würden diese meist überwunden. In der Regel sei es so, dass ein Lehrer den Eltern nahelege, ihr Kind in der Gruppe anzumelden. Sie müssten dann mit dem Jugendamt Kontakt aufnehmen.

Von Christian Kempf

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