Ludwigsburger Kreiszeitung vom 05. Juni 2015
Strich um Strich wächst an den Garagen der Hochdorfer Geschäftsstelle der Jugendhilfe ein Kunstwerk heran. Mit Freude und Elan haben Jugendliche, Mitarbeiter der Verwaltung und die Künstlerbrüder Manuel und Felix Seiter gestern ihr Werk vollbracht.
„Ich habe bei dem Projekt mitgemacht, weil es so großen Spaß macht“, sagt die 15-jährige Alexandra, die gemeinsam mit gut 15 Helfern in drei Tagen ein Streetart-Kunstwerk auf die Garagen zaubert. Die Zusammenarbeit funktioniere sehr gut, „und ich mag die Künstler“.
Die Konzeption machte Manuel Seiter, der Grafikdesign studiert hat, zuerst am Computer. „Dafür brauchte ich zwei starke Tage“, sagt der Marbacher und zeigt zwei Ausdrucke. Darauf ist sein Entwurf auf Fotografien der kahlen Garagen gelegt. „Ziel ist es, für den Kunden einen starken Gesamteindruck zu schaffen“, erklärt er.
Was die freiwilligen Helfer dann auf die Wände und drei Tore brachten, ist sehr nah am Design der Marbacher Seiter-Brüder. Zu den Helfern gehören Jugendliche aus der Hochdorfer Wohngruppe und Mädchen von der Verselbstständigungsbetreuung. Zudem waren zwei minderjährige Flüchtlinge aus Somalia dabei, die bei der Jugendhilfe untergekommen sind. Aber auch „vom Koch bis zur Verwaltung waren alle mal beteiligt“, sagt Felix Seiter.
Straßenkunst auf der Garage ist nur eine von vielen Kunstaktionen, die die Jugendhilfe in diesem Jahr kreisweit veranstaltet. Zum 60. Jubiläum folgen mehrere Projekte. Die Kinder und Jugendlichen durften selbst mitbestimmen, was gemacht wird.
Eine Gruppe im Bottwartal in Großbottwar dreht einen Film über ihren Alltag. Bei der Schulsozialarbeit Sachsenheim fertigen Jugendliche Masken für ein Musical. Die Gruppe an der Schule in Aldingen bereitet ein Theaterstück vor und eine Gruppe aus Ludwigsburg arbeitet an einem Kochbuch. Letzteres wird wahrscheinlich eine sehr bunte Angelegenheit: Viele der dort betreuten Kinder und ihre Eltern haben einen Migrationshintergrund. Da darf man auf Rezepte aus aller Welt gespannt sein. Am 10. Dezember gibt es dann eine Abschlussveranstaltung in der Hochdorfer Gemeindehalle, in der die Projekte vorgestellt und manche Werke auch gezeigt werden.
„Kunst ist ein gutes Mittel, um an Jugendliche heran zu kommen“, sagt Andreas Walker. Der kaufmännische Vorstand der Geschäftsstelle macht bei der Aktion mit. Er blickt zu den fleißigen Jugendlichen und fügt hinzu: „Die ziehen unglaublich mit.“ Dazu tragen wohl auch die Brüder Seiter mit bei. Sie reißen die Helfer mit und haben schnell einen Draht zu ihnen aufgebaut. Nicht nur, weil sie mittags mit ihnen essen und das Leben in den Wohngruppen mitbekommen. „Die zwei sprechen auch die Sprache der Jugendlichen“, sagt Walker.
Zu denen gehört Tobias. Der 17-Jährige war die ganze Zeit bei der Hochdorfer Kunstaktion dabei. Spezielle Vorlieben habe er dabei nicht. „Das ganze Malen macht Spaß“, sagt Tobias. Gerade noch umrandet er einen Schriftzug, wenige Minuten später steigt er eine Leiter hinauf und füllt eine Fläche mit neongelber Farbe. Zwar hat der 17-Jährige bereits Erfahrung damit, Graffiti auf Papier zu bringen, Wände sind für den Hobbykünstler aber ein neues Medium.
Dass die Helfer Anfänger sind, ist nicht so schlimm. „Man muss sich bei dem Projekt nicht verkrampfen“, sagt Manuel Seiter. Farbe sei geduldig und könne schnell übermalt werden. Den Prozess kann man ganz gut auf der Facebook-Präsenz der Hochdorfer Jugendhilfe sehen: Dort sind mehrere Bilder online gestellt, die die Garagen in kahlem Zustand zeigen und auf denen sie nach und nach mehr Farbe, Formen, Schriftzüge und Bilder bekommen. (Von Sebastian Grosshans).
Spaß und Kreativität zum 60. Jubiläum: Mehrere Jugendliche und Mitarbeiter der Jugendhilfe-Verwaltung putzen die kargen Garagen vor der Hochdorfer Geschäftsstelle mit Streetart fein heraus.
INFO: Bilder zur Entstehung der Hochdorfer Streetart sind auf der Seite www.facebook.com/evang.jugendhilfe.hochdorf zu finden.
FÖRDERUNG
Wohngruppen, um selbstständig zu werden
Die Jugendhilfe Hochdorf setzt sich mit rund 80 Mitarbeitern im Kreis für die Betreuung und Versorgung von Kindern und Jugendlichen in kleinen Wohngruppen und Erziehungsstellen ein. Die Minderjährigen kommen häufig aus zerrütteten Familien und sollen in den Wohngruppen lernen, ihren eigenen Alltag zu gestalten. Die Rückführung in die Familien ist das oberste Ziel.
Wenn die Jugendlichen nicht zurück in die Familie kommen, dann werden sie in der sogenannten Verselbstständigungsbetreuung auf das Erwachsenendasein vorbereitet. Dort lernen die Jugendlichen intensiv, wie sie sich selbst versorgen können. (seg)