© Bietigheimer Zeitung vom 29.07.2019
Wenn Kinder Kinder beobachten
Fünfjähriges Beim Babywatching lernen Kinder, sich in kleinere hineinzuversetzen und ihre Bedürfnisse zu spüren.
Sachsenheim. Die soziale Gruppenarbeit in Sachsenheim der Evangelischen Jugendhilfe Hochdorf hat sich schon vor fünf Jahren ans Babywatching herangewagt und macht damit sehr gute Erfahrungen in Sachen empathischem Wachstum von Kindern.
Freuen sich über fünf Jahre Babywatching (von links): Noemi und Elena Schwegler, Annegret Härer, Mitarbeiter Jona Helferstorfer, Babywatching-Mutter Priszilla Schöpfle mit Freddy, Dorothee Kocher, Fachleiterin Soziale Gruppenarbeit Sachsenheim, Mattis und Lena Frey, Claudia Obele, Vorstandvorsitzende Jugendhilfe Hochdorf, Ex-Babywatching-Mutter Viktoria Grinschewskaya mit Sohn Lev. Foto: Susanne Yvette Walter
Babywatching? Mancher denkt an eine Variante des Pekip-Modells, aber weit gefehlt. Beim Babywatching beobachten Kinder genau, wie eine Mama mit ihrem Baby umgeht, wie sie es umsorgt und auf seine Bedürfnisse eingeht. In Sachsenheim wird Babywatching seit fünf Jahren zelebriert – mit großem Erfolg.
Man darf sich das das so vorstellen: „Die Kinder schauen zu, fragen nach und stellen sich immer wieder der Frage: Wie würde es dir gehen, wenn du ein Baby wärst?“, erklärt Claudia Obele, die Vorstandvorsitzende der Evangelischen Jugendhilfe Hochdorf. Das Konzept des Babywatchings, der Babybeobachtung, hat der Münchner Bindungsforscher Prof. Karl-Heinz Brisch entwickelt. Babywatching hat das Ziel, bei Kindern eine soziale Empathie zu fördern und auszubilden. Dazu gehören Einfühlungsvermögen und Sensibilität. Dadurch soll zugleich Angst und Aggression gemindert werden.
„Unsere soziale Gruppenarbeit hat die Aufgabe, das Miteinander und die soziale Kompetenz zu fördern. Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich die Kinder wahrnehmen und sich füreinander interessieren“, erklärt Claudia Obele. Zu lernen, angemessen auf eine Situation zu reagieren, ist ein Ziel, das hinter dem Babywatching steht. „Kinder benötigen dazu Empathie. Die können sie zum Beispiel durch ein regelmäßiges Beobachten eines Säuglings lernen“, so Dorothee Kocher, Fachleitung der Sozialen Gruppenarbeit Sachsenheim.
Schon im fünften Jahr kommt eine Mutter einmal pro Woche mit ihrem wenige Wochen alten Säugling in die Gruppe. Nach einem Einstiegslied setzen sich die Kinder der Einrichtung im Kreis um die Mutter und beobachten, wie die Mutter mit ihrem Kind kommuniziert. „Wenn das Kind anfängt, sich fortzubewegen, ist das Babywatching beendet, denn dann kann nicht mehr einfach nur beobachtet werden“, beschreibt Dorothee Kocher.
Beim kleinen Fest zu fünf Jahre Babywatching am Freitag sind auch zwei Mütter dabei, die sich als Babywatching-Mütter zur Verfügung gestellt haben, Lena Frey und Priszilla Schöpfle. „Beim Babywatching erleben die Kinder im Kreis, wie das Baby von Woche zu Woche wächs“, sagen sie.
Babywatching ist auch eine Methode, um exzessiver Smartphonenutzung und dem Verkümmern zwischenmenschlicher Kommunikation entgegenzuwirken. „Ein Ansatz, der gut in eine Zeit passt, in der sich Hass und Rücksichtslosigkeit ungehindert in den sozialen Medien und im realen Leben breitmachen“, so Mitarbeiter Jonas Helferstorfer.
In Sachsenheim ist zur Zeit Priszilla Schöpfle die fünfte Babywatchingmutter, die zusammen mit ihrem Kind das Babywatching gestaltet. „Wir haben da immer eine Mutter und ein Baby. Sonst wäre das ein Durcheinander.“ Susanne Yvette Walter