Ludwigsburger Kreiszeitung vom 09. März 2017
Jugendlicher Unternehmergeist Bewerbungsschreiben, Vorstellungsgespräche, Flops und Verkaufsschlager – in der Schülerfirma „Woodpecker“ geht es zu wie in einem richtigen Unternehmen. Von Luitgard Schaber
Konferenz bei „Woodpecker“: Die jungen Mitarbeiter der Schülerfirma sitzen auf Hockern um einen der Tische im Werkraum der Besigheimer Schule am Steinhaus, Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum Förderschwerpunkt Lernen. Mit ihrem Lehrer Martin Schlonsok und Schulsozialarbeiter Matthias Cramme besprechen sie die Tagesproduktion. „Am 6. Mai ist Schulfest. Bis dahin wollen wir mindestens fünf Mölkkys fertig haben“, sagt Schlonsok. Mölkky, das ist ein Spiel für den Garten, bei dem es gilt, mit Wurfhölzern andere auf einer Fläche aufgestellte Hölzer umzuschmeißen. Es ist das neuste Produkt von „Woodpecker“, das beim Schulfest erstmals in den Verkauf gehen soll. Einige Ausgaben von „King of wood“, ebenfalls ein Wurfspiel für den Garten und laut Schlonsok „der Verkaufsschlager der Schülerfirma“, haben sie bereits für den großen Tag gefertigt.
Die Aufgaben sind schnell untereinander verteilt. Der zwölfjährige Dominik, der Jüngste der zehnköpfigen Belegschaft, die aus Siebt- bis Neuntklässlern besteht, macht sich an den Bau eines Flaschenträgers als Prototyp für eine Aufbewahrung eines Mölkky-Spielsatzes. Daniel und Manuel, 15 und 13 Jahre, erledigen eine Auftragsarbeit für eine Lehrerin – die Fertigstellung zweier selbstgebauter Musikboxen, deren Innenleben verlötet werden muss, Nico und Mustafa nehmen sich dem Zuschnitt der Spielhölzer an. Angeleitet von Cramme sägen die 13 und 16 Jahre alten Jungs diese an einer Kreissäge zu. Dabei erführen sie nicht nur, wie man mit einer Kreissäge umgehe, so Schlonsok: „Sie lernen auch viel hinsichtlich Arbeitsschutz und gewinnen an Selbstvertrauen.“
Hand in Hand läuft die Produktion weiter. Robin und Eric, beide 14 Jahre alt, und Emre und Daham, 13 Jahre, übernehmen den nächsten Arbeitsschritt. Mit Schmirgelpapieren glätten sie die Hölzer – und haben hörbar Spaß an ihrer Tätigkeit. „Schön ist es, glatt wie Seide“, singt Robin auf eine selbst erfundene Melodie, während er seine Werkstücke einem letzten prüfenden Blick unterzieht, bevor er sich das nächste vornimmt. Auch Emre ist sehr gewissenhaft bei der Sache. Keinen Grat, keine Macke dürften die Hölzer nach dem Schleifen mehr aufweisen, erklärte er.
Emre macht die Arbeit mit Holz ebenfalls „voll Spaß“. Deswegen habe er sich auch bei „Woodpecker“ beworben. Bei der Schülerfirma kann nämlich nicht einfach jeder, der Lust hat, mitmachen. Wie bei einem richtigen Unternehmen müssen Interessenten eine Bewerbung schreiben und die Personaler von „Woodpecker“ bei einem Vorstellungsgespräch von sich überzeugen, ehe sie zum Arbeiten kommen dürfen – und das anfangs erst einmal nur auf Probe. Bei der Firmengründung im Oktober 2015 hätten er und Cramme die Vorstellungsgespräche alleine geführt, erzählt Schlonsok. Mittlerweile seien die Schüler involviert, überlegten sich selbst Fragen für Interessenten. „Etwa welche Gehaltsvorstellungen diese haben“. Wer sich daraufhin bescheiden gebe und sage, dass es ihm vorwiegend um den Spaß bei der Arbeit mit Holz gehe, habe gute Karten von den Mitschülern eingestellt zu werden. Kein Wunder: denn Gehälter sind bei der Schülerfirma bislang keine gezahlt worden. Stattdessen haben sich die Mitarbeiter dafür entschieden, ihren ersten Jahresgewinn in eine Weihnachtsfeier in einem China-Restaurant zu investieren.
Auf ein gutes Betriebsklima wird bei „Woodpecker“ Wert gelegt. Wer sich schlecht gegenüber anderen Mitarbeitern benimmt, muss mit einer Abmahnung rechnen. Wer eine zweite Abmahnung kassiere, werde beurlaubt, erklärte Schlonsok, erhalte aber nach einiger Zeit eine zweite Chance. Über derartige Maßnahmen entscheiden die Schüler in einer gemeinsamen Diskussion. „Wir versuchen, so viel wie nötig und so wenig wie möglich unseren Senf dazuzugeben“, erklärt Schlonsok. Denn die Schüler sollen so viel Eigenverantwortung wie möglich tragen – selbst wenn dadurch auch einmal etwas floppt, wie etwa beim ersten Weihnachtsverkauf der Firma. Bei diesem wollten die Schüler selbst gebaute Garderoben an den Mann bringen – jedoch ohne großen Erfolg. Daraus hätten die Jugendlichen gelernt und richteten sich nun in ihrem Warenangebot mehr saisonal aus, berichtet Schlonsok. So gab es beim nächsten Weihnachtsverkauf an der Schule Dekoartikel für den Advent und zum Stadtfest „Besigheim spielt“ wurde das Spiel „King of wood“ vertrieben – die Kasse klingelte.
Mit Eifer bei der Sache: die Mitarbeiter von „Woodpecker“ mit Lehrer Martin Schlonsok (links) und Schulsozialarbeiter Matthias Cramme. Foto:Bürkle