Zukunft geben - Fliegen lernenZukunft geben - Fliegen lernen

Ludwigsburger Kreiszeitung vom 28. November 2014

Die Soziale Gruppenarbeit in Kornwestheim betreut seit elf Jahren Grundschüler, die Probleme im Alltag und in der Schule haben. In der Einrichtung über der Mensa der Philipp-Matthäus-Hahn-Gesamtschule erhalten die Kinder Hilfe zur Selbsthilfe.


Natürlich soll bei der Sozialen Gruppenarbeit (SGA) der Spaß nicht zu kurz kommen. „Aber für die Kinder ist es manchmal auch anstrengend zu uns zu kommen“, sagt Sozialpädagoge Armin Dachtler. „Hier werden sie mit einer Gruppe und einer ungewohnten Situation konfrontiert. Etwa wenn ihnen andere Kinder sagen, dass es nicht in Ordnung ist, wie sie sich verhalten.“

Träger der SGA ist die Evangelische Jugendhilfe Hochdorf. 18 Grundschul-kinder zwischen sechs und elf Jahren kommen regelmäßig in die Einrichtung. Häufig haben Lehrer zuvor erhöhten Förderbedarf festgestellt. Anschließend klären die benachrichtigten Eltern in einem Beratungsgespräch mit Sozialpädagogen der SGA und einem Mitarbeiter des Kreisjugendamts, ob das betreffende Kind die Einrichtung regelmäßig besuchen soll. Das Angebot, das allen Kornwestheimer Grund- und Förderschülern offensteht, ist nicht verpflichtend. Die Kinder entscheiden selbst, ob und wie oft sie die SGA besuchen. In dem Beratungsgespräch werden bereits konkrete Ziele für die Kinder vereinbart.
Die Grundschüler selbst haben an einer Wand des Gruppenraums – das Kreisjugendamt finanziert die Einrichtung, die Räume stellt die Stadt Kornwestheim zur Verfügung – auf Zetteln notiert, wo sie selbst Handlungsbedarf sehen. „Ich bin nicht bockig und kann Streit klären“, ist da unter anderem zu lesen. Oder: „Wenn ich streite, schlage ich niemanden und sage auch keine schlimmen Worte.“

Dass die Kinder das Wort „Ich“ verwenden und somit ihr eigenes Verhalten reflektieren, sei ein wichtiger erster Schritt, betont Claudia Obele, Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Jugendhilfe Hochdorf. „Die Schuld auf andere zu schieben, funktioniert hier nicht mehr.“
Nach dem Schulunterricht kommen täglich bis zu neun Kinder in die Einrichtung. Zunächst stehen gemeinsames Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung auf dem Programm, anschließend betreuen Sozialpädagoge Dachtler und seine Kollegin Sarah Franz die Kinder in jeweils vier- bis fünfköpfigen Gruppen. Dann kochen die Kinder, treiben Sport oder vereinbaren im „Magic Circle“, womit sie sich am nächsten Tag beschäftigen. „Uns ist wichtig, dass Kinder sich an feste Tagesstrukturen und Rituale gewöhnen“, erläutert Franz.
Für Außenstehende wirke die Arbeit in der SGA wie der Alltag in einem Hort oder in einer Jungschar, sagt Dachtler. Doch es gebe Unterschiede, die der Sozialpädagoge am Beispiel des gemeinsamen Kochens verdeutlicht. „Wenn wir eine Pizza backen, steht nicht die Pizza im Vordergrund sondern das Miteinander.“ Wenn kein Freiwilliger Zwiebeln schneiden wolle, gebe es eben Pizza ohne Zwiebeln. Und wenn sich die Kinder überhaupt nicht einig würden, vielleicht gar keine Pizza. „Ein Jungscharleiter würde selbst die Zwiebeln schneiden.“, so Dachtler. „Das machen wir nicht. Die Kinder sollen selbst lernen, Kompromisse zu finden, sich mit ihrem eigenen Handeln auseinandersetzen.“

Es sei unverzichtbar, auch die Eltern in die pädagogische Arbeit einzubeziehen, betont Vorstandsvorsitzende Obele. „Zu uns kommen ja kleine Kinder, die nur auf das reagieren, was zu Hause passiert.“ Einmal im Monat treffen sich die Sozialpädagogen mit den Eltern, vermitteln bei Bedarf auch therapeutische Unterstützung. „Man muss den Eltern vermitteln, dass ihre Kinder soziale Kompetenzen auch zu Hause erwerben.“ Etwas sorgenvoll blickt Obele auf die flächendeckende Einführung der Ganztagsschule. „Es beschäftigt und schon, wie wir die Systeme Ganztagsschule und SGA in Einklang bringen können.“ Die Schützlinge der SGA seien mit dem Besuch der Ganztagsschule überfordert. Obele ist aber zuversichtlich, dass die Einrichtung flexible Lösungen mit den Schulen finden wird und Kinder mit Förderbedarf auch künftig die SGA besuchen können – freilich nur für einen befristeten Zeitraum. „Ziel ist es ja, den Besuch überflüssig zu machen.“
VON FRANK KLEIN

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